70 Jahre Goggo-Motorroller

Am 16. Juli 1951 lief der erste Motorroller vom Dingolfinger Fließband
Von Jürgen A. Kraxenberger

Man besuchte das Glas-Denkmal 2011 in Dingolfing (Mitte Organisator der Goggo-Roller Treffen Eberhard Eckart von der GFG Glas-Fahrer-Gemeinschaft Dingolfing).

Dingolfing. Genau heute vor 70 Jahren startete der Produktionsanlauf des legendären Goggo-Motorrollers. Doch wie kam es zu der Entwicklung der „Dingolfinger Wuchtbrumme“, die immerhin mal an dritter Stelle der deutschen Zulassungsstatistik bei den Motorrollern stand?

Die Hans Glas GmbH war einstmals Europas größter Sämaschinen-Hersteller. Bereits 1938 wurde die 100 000. Sämaschine produziert. Unter Glas-Regie wurden bis zur Übernahme durch die BMW AG über 300 000 Sämaschinen gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg brach der Absatzmarkt für die Sämaschinen stark ein, da die Kornkammer Deutschlands im Osten lag und diese Gebiete an Polen und die Sowjetunion verlorengingen.

Mit einem Beiwagen konnte man auch seine kleine Familie befördern.

Inspiration in Italien

1949 besuchte auf Weisung des Seniorchefs Hans Glas sein Sohn Andreas Glas die Landmaschinenausstellung in Verona. Sein eigentlicher Auftrag war, sich umzusehen, was es an Neuerungen in der Landmaschinenbranche gibt, denn hier war das väterliche Unternehmen tätig. Was dem Juniorchef in Italien sofort auffiel, dass hier schon relativ verbreitet Motorroller gefahren wurden der Marken Vespa und Lambretta.

Zurück in Dingolfing kaufte Andreas Glas einen Lambretta-Roller bei einem Landshuter Motorradhändler. Zu Hause zerlegte man diesen mit Hilfe seines langjährigen Freundes und Chefkonstrukteurs Karl Dompert und schaute, ob man so was auch selbst bauen kann. Obwohl Hans Glas nicht sehr begeistert war von der Idee, ging man nach Feierabend in einem kleinen Zimmer ohne Tageslicht ans Werk und konstruierte einen Motorroller. Beim Motorenlieferant ILO in Pinneberg bei Hamburg wurde man schließlich bei der Triebwerkssuche fündig, da DKW nicht liefern wollte oder konnte. Mithilfe des gottbegnadeten Blechkünstlers Josef Bauer aus dem Bayerischen Wald wurden die ersten Rollerkarossen über Holzformen geklopft.

So stellte man eines Tages den ersten selbstkonstruierten Motorroller vor den Haupteingang des Verwaltungsgebäudes. Als der Seniorchef frühmorgens den Roller sah, fragte er nur kurz: „Wo habt Ihr den gekauft?“. Darauf gab Anderl Glas die Antwort: „Den haben wir selbst gebaut“. Daraufhin gab Hans Glas grünes Licht für die Serienproduktion des Motorrollers.

Goggo-Roller in der ursprünglichen Version und in der neueren Version mit ausgeschnittener Hakennase (von links). Fotos: Archiv Kraxenberger

Dieser erhielt den Namen „Goggo“. Den außergewöhnlichen Namen hatte die aus dem Rheinland stammende Therese Pape ausgedacht, die im Haushalt der Familie Glas unter anderem als Kindermädchen beschäftigt war. Sie nannte als Kosenamen, den zweitgeborenen Sohn von Anderl und Antonie Glas, der wie sein Vater Andreas hieß, einfach aus einer plötzlichen Eingebung heraus „Goggi“. Aus Goggi wurde Goggo. So befand der Seniorchef Hans Glas in seiner pragmatischen Art einfach: „Euer jüngstes Kind heißt Goggi – so nennen wir uns jüngstes Firmenprodukt auch Goggo“. Den Goggo-Motorroller gab es in drei Hubraumkategorien, mit 125 cm³ und 4,5 PS, mit 150 cm³ und 6,7 PS sowie die Topversion mit 200 cm³ mit 9,5 PS und mit einem elektrischen Anlasser erhältlich. Der Goggo-Roller wurde laufend weiterentwickelt und verbessert. Es gab sogar eine dreirädrige Lastenroller-Version mit Kasten-, Pritsche und Planen-Aufbau. Allerdings war dieser Version kein großer Erfolg beschieden, es wurden nur 485 Exemplare gebaut, davon dienten auch einige der Firma Glas beim innerbetrieblichen Werksverkehr.

Der Goggo-Roller wurde weltweit exportiert, sogar bis nach Indonesien. Bis zu 120 Roller wurden arbeitstäglich gefertigt.

In den 90er Jahren wurde das Hans-Glas-Denkmal in Dingolfing eingeweiht.

Weltweiter Exportschlager

Fast 47 000 Goggo-Roller entstanden in der Zeit zwischen 1951 und dem endgültigen Ende der Fertigung 1957. Einen besonders geglückten Schachzug stellte die um Werbechef Helmut Dannenberg konzipierte Werbemaßnahme dar, dass alle Spieler der erfolgreichen deutschen Fußballweltmeisterschaftself 1954 einen Goggo-Motorroller vom Werk geschenkt bekamen und diese im Isar-Wald-Stadion überreicht wurden. Viele Medien in der ganzen Welt berichteten davon und machten Dingolfing über Nacht zur „Goggo-Stadt“.

Sogar ein eigenes Goggo-Roller-Lied entstand, welches Erika Blumberger und die „Isarspatzen“ zum Besten gaben. Letztendlich war der Goggo-Motorroller der Wegbereiter für den Vierrad-Roller mit Allwetterschutz, dem legendären Goggomobil, welches zeitweise in den 1950er Jahren weltweit der meistverkaufte Kleinstwagen in der Hubraumklasse bis 500 cm³ war. Das Goggomobil wiederum eröffnete die Möglichkeit, weitere größere Fahrzeugtypen bis zum Glas 2600/3000 V8 (im Volksmund „Glaserati“ genannt) zu entwickeln.

Goggo-Lastenroller in der Kastenausführung.
Die Montage des Goggo-Motorrollers im Werk.
Familie mit Goggo-Motorroller.
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