ARTIKEL im Dingolfinger Anzeiger vom Donnerstag, den 31. Oktober 2024
Erfahrungen aus einem Stück Geschichte
Zum Abgoggerln fahren die Goggomobilfahrer ins Salzburgerland.
Artikel und Fotos: Andrea Schwarzmeier

Starthilfe für das Goggo – Anschieben ist angesagt.

Karin Gamp und Hund Timmy genießen die Pausen.


Jedes Jahr im Oktober steht das Abgoggerln an – die Abschlussfahrt der Goggomobilfahrer der Goggo- und Glasfahrergemeinschaft, bevor die kleinen, knatternden Zweitaktwunder für den Winter in ihre Garagen zurückkehren. 24 winzige Autos, die ältesten über 60 Jahre alt, sowie 46 Kinder, Frauen und Männer machten sich jüngst auf zur Mattsee-Tour ins Salzburgerland.

Sie stehen in Reih und Glied auf dem Parkplatz in Frontenhausen. Allesamt blitzblank und jede Chromkante sorgfältig poliert. Die Farben leuchten im trüben Oktoberlicht. Ein feiner Nieselregen legt sich über die Landschaft. Die Fahrer und Beifahrer stehen in Gruppen beisammen. Bevor die Kolonne losrollt, briefen die neuen Tourenleiter Michaela und Michael Haslbeck die Teilnehmer. „Wir haben eine wunderbare Tradition, die wir fortführen dürfen“, so Haslbeck. „Alles aufsitzen“, lautet das Kommando. Warm eingepackt in Jacken und Decken steigen die Ausflügler ein. Die Fahrer ziehen den Choke – ein geübter Handgriff. Die kleinen Fahrzeuge erwachen mit Zittern und Knattern zum Leben. Das typische Röhren der Zweitaktmotoren füllt den Parkplatz. Kleine Rauchwölkchen steigen aus den Auspuffen und vermischen sich mit der Regenluft. Die Beifahrer steigen ein und rutschen auf den schmalen Sitzen nach rechts. Viele ziehen ihre warmen Decken über die Knie.

Die Ausflügler der Goggo-und Glas Fahrer Gemeinschaft in Österreich

Die früheren Ersten sind die Letzten

Das rote Goggomobil der Haslbecks rollt langsam an die Spitze. Michael Haslbeck hupt – das Zeichen zum Aufbruch. Hinter ihnen reihen sich die bunten Goggos auf wie auf einer Perlenkette. Michaela Haslbeck blickt durch das Rückfenster, um sicherzustellen, dass alle Fahrer bereit sind. Hermine Neef und Helmut Riemer, die über zwei Jahrzehnte lang die Verantwortung für die Touren getragen haben, bilden das Schlussfahrzeug. Von Frontenhausen über Altötting, Burghausen, Mehring bis nach Seeham, das Ziel am Obertrumer See, 108 Kilometer lang eine kleine Zeitreise zurück in die 1950er- und 60er-Jahre, in der die Goggomobile, die „Ferrari des kleinen Mannes“, die Straßen bevölkert haben. Der Nieselregen beginnt, die Windschutzscheiben der kleinen Oldtimer zu benetzen. Die winzigen Scheibenwischer, nicht größer als Kochlöffel, bewegen sich im Takt über die Frontscheibe. Die Sicht ist schlecht. Der Wind zerrt an den Scheibenkanten. Die Beifahrer reinigen in regelmäßigen Abständen die Windschutzscheiben. Der Duft von Benzin liegt in der Luft. Dazu das leicht klamme Gefühl in den Füßen, weil das Goggomobil keine allzu leistungsstarke Heizung hat.

Eine Fahrt mit dem Goggo ist ein Stück Geschichte
Das E-Goggomobil tankt Strom


Bulldogs überholen? Eine Frage der Ehre

Während die Kilometer vorbeiziehen, das Lenkrad leicht vibriert, fährt ein Traktor im gemächlichen Tempo voraus. Einen Bulldog zu überholen ist für einen Goggomobilfahrer fast eine Frage der Ehre. Das Auto beschleunigt. Der Motor heult auf, ein rasselndes Brummen drängt durch die Karosserie. Die Drehzahl steigt, der Motor röhrt, so laut er kann. Zentimeter um Zentimeter schiebt sich das Goggomobil am Traktor vorbei. Der Fahrer des Bulldogs winkt freundlich. Jedes Auto hat seine eigene Geschichte: Das von Rosi und Bert Füchsl ist eines der ersten gewesen, das 1955 gebaut worden ist. Helmut Riemer und die Haslbecks besitzen ebenfalls eines der Fahrzeuge aus der früheren Produktionszeit.

Wie zu groß geratene Spielzeuge

Nach einer Pause, in der der Regen nachgelassen hat, geht die Fahrt weiter, mit den kugeligen Wagen, die wie zu groß geratene Spielzeuge wirken. Wiederum werden die Zündschlüssel gedreht, ein knatternder Klang erwacht zum Leben. Über die Hälfte der Strecke ist geschafft. Man spürt jeden Hügel. Jede Kurve. Schon bald ist das Ziel erreicht: Seeham in Österreich. Am nächsten Morgen ist der Mattsee das Ziel. Ein Goggomobil verweigert plötzlich seinen Dienst. Nach ein paar vergeblichen Startversuchen wird klar, dass es etwas mehr als nur einen Dreh am Zündschlüssel braucht. Eine kleine Gruppe Männer, die für solche Momente geübt ist, versammelt sich um das Auto. „Na gut, dann schieben wir eben“, sagt einer lachend, und schon greifen mehrere Hände ans Auto. Mit vereinten Kräften wird das Goggo auf die Straße geschoben. Der Fahrer dreht den Zündschlüssel, während das Fahrzeug langsam Fahrt aufnimmt. Die Spannung steigt, das vertraute Knattern des Zweitaktmotors fehlt noch – doch dann, nach ein paar Metern, erwacht das Goggo plötzlich zum Leben. Der Motor röhrt. Ein Lächeln huscht über die Gesichter, als es davonrollt. Am Mattsee ist das Ferdinand-Porsche-Museum das Ziel. Am letzten Abgoggerln-Tag steht die Fahrt nach Mattighofen an. Dort wird das KTM-Museum Motorhall besucht. Dann ist das Freilichtmuseum in Massing Ziel, bevor die Heimfahrt angetreten wird. Manchmal bleiben Leute stehen, lächeln und fragen nach.

Aufgereiht – die Goggomobile, die Fahrzeuge aus der Wirtschaftswunderzeit
vor dem Ferdinand-Porsche-Museum fahr(T)raum in Mattsee


Die Freude am Einfachen und das Gefühl von Freiheit

Eine Ausfahrt mit dem Goggomobil ist für die Fahrer und Beifahrer nicht nur eine Fahrt, sondern eine Erfahrung. Es ist die Freude am Einfachen, das Gefühl von Freiheit in einem Fahrzeug, das so charmant und bodenständig ist wie nur wenige andere. Am Ende des Tages fühlt man sich, als hätte man eine Reise in die Vergangenheit unternommen – und vielleicht das eigene Tempo gefunden in einer Welt, die oft viel zu schnelllebig ist. Denn das Goggomobil ist mehr als nur ein Fahrzeug. Es ist ein Stück Geschichte.

 

Michael und Michaela Haslbeck
Erstmals das Schlusslicht mit ihrem Goggo:
Hermine Neef und Helmut Riemer
Fahrzeug Schild "Abgoggerln 2024" für die Goggomobile
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