Bericht im Dingolfinger Anzeiger am 31.01.2015

60 Jahre Goggomobil

„Kein Schrotthaufen, sondern es muss glänzen“

Bert Füchsl über „das erste richtige Auto“ und Goggo-begeisterte Australier



Ein Gipfelstürmer: Das älteste bekannte fahrbare Goggomobil meistert den Berg – mit Bravour. (Fotos: S. Wimberger)
Von Stefan Wimberger

Landau. Mit einem als Auto verkleideten Motorroller hat die Hans Glas GmbH aus Dingolfing die Automobilindustrie der Fünfzigerjahre aufgemischt. Das mittlerweile als Oldtimer anerkannte Fahrzeug wurde früher belächelt – und gilt heute als erfolgreichster Kleinstwagen der Geschichte. Manche gingen damit sogar auf Weltreise. Bert Füchsl aus Landau wurde dieser „Roller mit Dach“ quasi in die Wiege gelegt. Das Goggomobil.

Über eine kleine Heimwerkstatt geht es in eine ebenso kleine Garage. Die Garage mag zwar klein sein, aber sie ist immer noch groß genug für das Fahrzeug, dessen blassgrün glänzendes Blech den Schluss nahelegt, dieser Kleinstwagen sei nagelneu. Am Steuer sitzt ein Mann. Er hat ein Lächeln auf den Lippen, das kaum verhohlen verrät, dass es sich hierbei um seine Leidenschaft handelt. Sein Goggomobil ist ziemlich genau 60 Jahre alt, erstzugelassen am 12. Mai 1955 – das älteste bekannte fahrbare Modell. „Mein Vater hat im Kundendienst bei der Hans Glas GmbH gearbeitet“, sagt Bert Füchsl. „Er hat Goggos repariert und als Kind war ich da oft dabei. Die obligatorische Probefahrt nach erfolgreicher Reparatur war das Allerhöchste.“ Einen Sicherheitsgurt gab es damals noch nicht. Schätzungsweise gebe es an die 281 000 Goggos weltweit, von denen noch etwa 15 000 fahrtüchtig sind. „Die Ersatzteil-Situation ist gut“, sagt der 52-Jährige, „denn die Teile kann man problemlos aus dem Katalog bestellen.“

„Brutal zuverlässig“

2003 hat Bert Füchsl, gelernter Modellschreiner und derzeit bei BMW in Landshut in der Modellbauplanung tätig, mit seiner Ehefrau Rosi seine bisher längste Fahrt mit dem Kleinstwagen unternommen. „Wir sind zum Camping an den Gardasee gefahren“, sagt Rosi Füchsl. Dabei sei es „überhaupt kein Problem“ gewesen, das Gepäck unterzubringen, sei doch allein auf der Rückbank genug Platz. „Wir sind auch schon mal den Brenner raufgefahren“, fügt Bert Füchsl hinzu. „Dazu braucht man natürlich Zeit, die heute keiner mehr hat.“ Auf der Geraden sei er manchmal schon mit gut 90 km/h unterwegs. An die 100 000 Kilometer ist er schon mit Goggos gefahren – „und dabei nie liegen geblieben, nie abgeschleppt worden.“ Der Oldtimer sei „brutal zuverlässig“. Und für den Fall des Falles hat Bert Füchsl immer ein paar Ersatzteile dabei. „Wer so ein Auto fährt, weiß, worauf er sich einlässt.“

Ein Roller verkörperte im Nachkriegsdeutschland die Sehnsucht nach Mobilität. Der Wunsch nach einem Fahrzeug mit Dach über dem Kopf wurde aber immer größer. Es war der Kleinwagen, den der Markt begehrte. 1952 startete die Hans Glas GmbH die Entwicklung eines solchen. Ab 1955 bot Glas zum Preis von 3 000 D-Mark das spartanisch eingerichtete, für eine vierköpfige Familie gedachte legendäre Goggomobil an. Diese Limousine war ein Raumwunder, solide und robust gebaut. Der Winzling aus Dingolfing war ein passgenauer Pflasterstein in einer Lücke, die sich auf dem Weg zur Volksmotorisierung aufgetan hatte.

„Mit den heutigen Kleinwagen ist das nicht zu vergleichen“, sagt Bert Füchsl. Der Spritverbrauch, der in den Anzeigen früher mit 2,9 Litern angegeben worden ist, liege bei über sechs Litern. Das Goggo hatte schon vor 60 Jahren hydraulische Bremsen und eine Einzelradaufhängung. „Es war das erste richtige Auto.“ Die deutschen Konkurrenten, zum Beispiel der BMW Isetta, seien dagegen primitive Fahrzeuge gewesen. „Die Glas GmbH hatte 1957 in der Klasse bis 500 Kubik einen Marktanteil von über 50 Prozent. Davon können die Fahrzeughersteller heute nur träumen“, schwärmt der 52-Jährige. Dabei handle es sich um überschaubare Technik, weshalb das Goggo auch für Anfänger, „die rumschrauben wollen“, für den Einstieg in die Oldtimerei geeignet sei.

Seiner Frau Rosi hat Bert Füchsl zu deren 18. Geburtstag ein Goggo geschenkt. Die Liebe zum Goggomobil beschränkt sich bei ihm längst nicht auf das Fahrzeug selbst. Stolz präsentiert er rund 60 Jahre alte Zeitschriften – selbstverständlich in Top-Zustand. „Es ist mein Hobby, mich damit zu beschäftigen, deshalb will ich natürlich mehr erfahren. Die Zeitgenossen sind ja nicht mehr da.“ Darüber hinaus bastelt er selbst kleine Modell-Goggos, vom Pick-up bis hin zum Post-Transporter. Einige davon hat er auch schon an „interessierte Glas-Liebhaber“ verkauft. Das erste habe er bereits mit zehn, elf Jahren gebaut. Mittlerweile hat er über 100 davon gebastelt. „An einem Modell arbeite ich ungefähr 30 Stunden.“ Auch was die Einzelteile angeht, hat Bert Füchsl schon mehrfach Kreativität bewiesen, so wurde eines seiner ersten Werke gekonnt mit Kaugummipapier ausgestattet. Von jedem der kleinen Modelle hat der 52-Jährige fein säuberlich das Baujahr und die Autonummer vermerkt. „Einige sind sogar mit einem originalen Goggo-Stempel von meinem Vater versehen.“ „Februar 1989“ heißt es am Unterboden eines der Modelle.

Große Festveranstaltung an Pfingsten

Als einer der drei Gründungsmitglieder ist Bert Füchsl in der Vorstandschaft der „Goggomobil- und Glas-Fahrer Gemeinschaft Dingolfing“. „Seit 1984 treffen wir uns jeden Monat zum Stammtisch.“ Weit über 100 Mitglieder gehören dem Verein mittlerweile an. „Zum harten Kern gehören etwa 40.“ Regelmäßig werden gemeinsame Ausfahrten unternommen. Im Mai findet das 42. Jahrestreffen des „Glas Clubs“ statt. „Da trifft man auf viele Gleichgesinnte.“ Vom 22. bis 25. Mai gibt es anlässlich „60 Jahre Goggomobil, 125 Jahre Hans Glas und 50 Jahre Glas V8“ eine große Festveranstaltung. „Wie vor zehn Jahren zur 50-Jahr-Feier werden 400 Autos erwartet. Die Ausstellung wird fast komplett aus dem Fundus der Mitglieder bestritten. Von jedem Glas-Modell ist eines dabei.“ Neben Sektionsclubs aus Berlin und Aachen werden unter anderem Goggo-Fans aus den USA, den Niederlanden und Finnland teilnehmen. „Es gibt auch bereits zwölf Zusagen von Australiern.“ An allen vier Festtagen können die Ausstellungen in der Dingolfinger Eisporthalle von 10 bis 17 Uhr besucht werden. „Das Highlight der Veranstaltung ist die Rundfahrt durch und um Dingolfing.“ Am 25. Mai werden in Pilsting die Gedenktafel am Geburtshaus von Hans Glas und das Denkmal am Rathaus enthüllt.

Bert Füchsl restauriert derzeit einen Goggo-Roller. „Seit drei Wochen arbeite ich mit Hochdruck daran.“ Geplant ist eine Punktlandung zur Ausstellung Ende Mai. Auch wenn es darum geht, wie ein Goggo auszusehen hat, hat Bert Füchsl genaue Vorstellungen: „Es muss glänzen, muss passen. Ich will keinen Schrotthaufen.“ Er selbst habe bereits sechs Goggomobile gehabt.

Klein, aber oho

Auch der Autor dieses Textes kann von innerfamiliären Goggo-Ereignissen berichten. Ostern, Mitte der Fünfzigerjahre. Die Oma fährt mit ihrem Bruder und dessen Frau nach München, wo sie zwei Schwestern besuchen wollen. An der Dingolfinger Kreuzung wird das Goggomobil von einem Lastwagen gerammt, der die Vorfahrt missachtet hatte. Der Kleinwagen wird im hinteren Bereich erwischt und dreht sich laut aufheulend im Kreis. Oma, hinten sitzend, wird schwer verletzt. Immerhin haben die Insassen aber überlebt, womit der Beweis erbracht sein sollte: Das Goggomobil ist doch auch robuster als es aussieht.

Das Goggo von Bert Füchsl wird auch in der Ausstellung Ende Mai in Dingolfing zu sehen sein.
 
Bert Füchsl mit seinen eigens entworfenen Modellen und fast 60 Jahre alten Goggomobil-Zeitschriften.

 


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