Im Auto des Wirtschaftswunders unterwegs
Mit dem Goggomobil bis nach Übersee: Das diesjährige
Abgoggerln der Goggo- und Glasfahrergemeinschaft führte vor Kurzem
in den Chiemgau. Mit 24 Goggomobilen, 42 Erwachsenen und sieben Kindern
ging es auf nostalgische Reise. Noch nie waren so viele Teilnehmer
seit Bestehen des Abgoggerlns im Jahr 2003 mit dabei. Hermine Neff
und Helmut Riemer, die die Ausfahrten seit Anbeginn organisieren,
freuten sich über den Teilnehmerrekord.
Die Fahrt geschah stressfrei ohne größere
Zwischenfälle.
Der Kleinstwagen, der von Hans Glas erfunden und in den 50er und 60er
Jahren in Dingolfing gebaut wurde, liegt wie ein Brett auf der Straße.
Man sitzt in dem etwa drei Meter langen und 1,30 Meter breiten Gefährt
wie in einem Go-Kart. Mit dem Auto-Floh machten sich die Goggomobiler
im Oktober auf zur letzten Spritztour des Jahres. Die Herbstsonne
lachte, als die 24 Oldtimer beim Startpunkt in Frontenhausen ankamen.
Die Batterien geladen, die Bremsflüssigkeit geprüft, die
Vergaser gereinigt, der Tank voll - alle hatten ihre Autos top in
Form gebracht. Hermine Neff und Helmut Riemer, die altbewährten
Reiseleiter, begrüßten jeden Teilnehmer und überreichten
Tüten mit Mandarinen, Getränken und Schokolade.
Bereits 160 Kilometer zum Startpunkt gefahren
"Alle aufsitzen!" ertönt das Kommando. Den Benzinhahn
aufdrehen, links den Choke ziehen, den ersten Gang der etwas hakeligen
H-Schaltung einlegen und den Fuß auf das Gaspedal setzen: 86
Kilometer bis zum Waginger See liegen vor den rund 50 Reisenden. Auch
einige "Ersttäter" sind im Konvoi vertreten, wie Sebastian
Hieber aus Vohenstrauß: "Ich habe mein Goggo durch eine
Zeitungsanzeige entdeckt. Ein älterer Herr hat es mir verkauft",
erzählt der Automechaniker, der allein 160 Kilometer bis zum
Start der Oldtimerausfahrt angereist ist. Zum Abgoggerln im kommenden
Jahr will er wieder dabei sein und seine Frau und seinen kleinen Sohn
Andreas mitnehmen. Auch Eva und Thorsten Thanner sowie Gina und Dieter
Baumeister sind das erste Mal dabei. Schon bald lachen sie: "Traut
euch ja nicht, im nächsten Jahr ohne uns zu fahren."
Auch ein Gastfahrer aus Neustadt an der Waldnaab mit seinem schwarzen
Käfer, Baujahr 1960, der einen alten DDR-Wohnwagen der Marke
Queck zog, schloss sich den Goggo-Reisenden an. Die spannende Frage:
Fahren die Winzlinge auch bis zum Ziel nach Waging?
Die Route führt von Frontenhausen Richtung Gangkofen, Neuötting
und Burgkirchen. Die Fahrzeuge liefen kontinuierlich Kilometer für
Kilometer dem Chiemgau entgegen, zwei Mal gab es einen kurzen Halt,
da zwei kaputte Vergaser ausgewechselt werden mussten. Hermine Neff
und Helmut Reimer haben stau- und stressfreie Straßen für
den Streckenplan ausgesucht und Fritz Baron und Anton Ausmann haben
sie im Roadbook festgehalten.
Rund 15 Pferdestärken lassen eine Reisegeschwindigkeit von rund
60 km/h zu. Das Abgoggerln wurde eine Genießerfahrt: kaum Reparaturarbeiten,
gemächliches Tempo, herrlichstes Herbstwetter und interessante
Zwischenstopps. Gegen Abend bezogen die Goggofahrer ihre Unterkunft
in Waging am See. Am nächsten Tag besichtigte man die Erlebniswelt
von Hans-Peter Porsches Traumwerk in Anger. Er präsentiert nicht
nur Fahrzeuge der Marke Porsche, sondern auch eine riesige Sammlung
kleiner technischer Wunderwerke, zusammengetragen aus zwei Jahrhunderten.
Kaum ein Medium dokumentiert den rasenden Fortschritt von Ingenieursleistungen
anschaulicher als historisches Blechspielzeug. Hans-Peter Porsche
sammelte Eisenbahnen, Schiffe, Autos und Flugzeuge aus den frühen
Produktionsjahren der Firmen Bing, Märkling oder Carette sowie
Spielsachen von TippCo, Distler oder Schuco.
Nach dem Museumsbesuch ging für die Goggofahrer die Fahrt weiter
zum Klosterwirt nach Höglwörth. Der Zwischenstopp im urigen
Biergarten dauerte etwas länger: Ein Brautpaar gab sich in der
Kirche das Ja-Wort. Da wollten natürlich auch die Goggofahrer
den Jungvermählten viel Glück zurufen.
Dann wurde der Weg fortgesetzt: 38 Kilometer lagen vor den Kultauos,
bis sie Übersee erreichten. Die Goggoreifen machten dann Rast
im sonnengewärmten Sand. Das Bayerische Meer leuchtete türkisblau
wie der Ozean in der Karibik. Von der Ferne schwappten Reggae-Klänge
leise ins Gemüt. Liegestühle standen am Strand. Auf dem
See zog gemächlich ein Segelboot vorüber. Mit einem Cocktail
in der Hand und den Füßen im Nass des Chiemsees - so genossen
die Oldtimerfahrer ihre Zeit an der Beachbar.
Mit Neugierigen aus aller Welt im Gespräch
Während die große Goggofamilie am Strand relaxte, umringten
Amerikaner, Brasilianer, Nicaraguaner und Südafrikaner die Goggos
und fragten die Oldtimerfahrer auf Englisch aus. Viele von ihnen haben
an diesem Nachmittag das erste Mal ein Goggomobil gesehen.
Auf dem Rückweg nach Waging wurde der gesamte Goggotross von
der Feuerwehr aufgehalten. Der Grund: Eines der spektakulärsten
Motorsport Events am Chiemsee wurde ausgetragen, die Chiemgau Motorzone.
Die Besucher staunten nicht schlecht, als nach Beendigung des Rennens
und der Freigabe der Straßen auch noch die Autos aus der Wirtschaftswunderzeit
auf der gemächlichen Rennstrecke dahinfuhren. Am dritten Tag
ging es wieder gen Heimat. In Raitenhaslach nutzten viele noch die
Gelegenheit, das älteste Zisterzienserkloster in Oberbayern und
die Klosterkirche zu besichtigen.
Eine große Gruppe war in den kleinen
Gefährten aus der Wirtschaftswunderzeit unterwegs.