Vor 60 Jahren:
GLAS revolutioniert den modernen Motorenbau
Von Jürgen A. Kraxenberger

 

Dingolfing. Auf der 40. IAA (Internationale Automobil-Ausstellung) in Frankfurt am Main, welche vom 21. September bis 1. Oktober 1961 mehrere hunderttausend Besucher anlockte, stellte die Hans Glas GmbH, welche schon jahrzehntelang in der Landmaschinenproduktion sehr erfolgreich tätig war und erst seit Juli 1951 in den Motorfahrzeugbau mit dem Goggo-Motorroller einstieg, ein schnittiges 2 + 2-sitziges Coupé sowie elegantes Cabriolet vor. Das S 1004 genannte Coupé ging im Mai 1962 in die Serienfertigung.

Der BMW-GLAS 3000 V8.
 
Im Januar 1963 folgte dann das Cabriolet und zeitgleich die viersitzige Limousine. Die Besonderheit an diesem Fahrzeug war ein neuentwickelter wassergekühlter Reihenvierzylinder-4-Takt-Motor, dessen Ventilsteuerung eine obenliegende Nockenwelle übernahm, die erstmals weltweit serienmäßig im Automobilbau von einem Zahnriemen angetrieben wurde. Mit diesem Motorenkonzept überraschte man die Fachwelt. Angeblich liefen auch bei Ford in Köln Motoren im Versuch nach demselben Bauprinzip mit Zahnriemen, allerdings traute man sich noch nicht an die Markteinführung.

Das V8-Triebwerk.

 
Glas gab als erster deutscher Hersteller eine einjährige Motorgarantie ohne Kilometerbegrenzung auf alle Typen. Bemerkenswert ist auch, dass die Hans Glas GmbH, mal als größter Industriebetrieb in Niederbayern zur Bestzeit 4 500 Beschäftigte hatte und in der Abteilung für Entwicklung, Konstruktion und Versuch allerhöchstens 50 Personen angestellt waren. Neuen technischen Lösungen und Innovationen stand Juniorchef Anderl Glas und Chefkonstrukteur Karl Dompert immer sehr aufgeschlossen gegenüber. Den Motor konstruierte Leonhard Ischinger, der 1957 von BMW kam und auch schon den Zweizylinder-Boxer-Motor für das Große Goggomobil (später Glas Isar) entwickelt hatte. Der in der Glas-Modellreihe 1004, 1204 und 1304 verbaute Motor leistete zwischen 40 bis 85 PS. Die „4“ in der Typenbezeichnung steht für 4-Zylindermotor. Die 04-Baureihe war mit vier Karosserie- und sechs Motorvarianten die vielfältigste im Programm des niederbayerischen Automobilherstellers.
 
Das GLAS 04-Coupé.
 
Glas-Motoren nach diesem Konzept mit der obenliegenden Nockenwelle mit Zahnriemen kamen auch in der Glas 1700 Limousine, dem formschönen Glas GT Coupé sowie Cabriolet und dem Glas 2600 V8 bzw. Glas- BMW 3000 V8 zum Einsatz. Beim 3000 V8 leistete das Triebwerk 160 PS und verhalf dem im Volksmund als „Glaserati“ bezeichneten Gran-Turismo-Coupé zu einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Der V8-Motor hatte viele Gleichteile vom Vierzylinder-Triebwerk. Glas war sehr erfolgreich im Rennsport unterwegs und 1965 wurde man deutscher Tourenwagen Rundstreckenmeister. Am 10. November 1966 wurde der Vertrag mit BMW unterzeichnet und die Firma Glas an den Mitbewerber verkauft. Offizielles Verkaufsdatum war aus steuerlichen Gründen der 2. Januar 1967. Die 04-Baureihe wurde unter BMW-Regie im April 1968 eingestellt, also knapp sechseinhalb Jahre nach der Vorstellung des S 1004 Coupé und Cabriolet auf der IAA in Frankfurt.
 
Der Glas 04-Motor.
 
Glas-Schnittmotor im Industriemuseum in Dingolfing.
 
Der Zahnriemen als Nockenwellenantrieb wurde von vielen Autoherstellern übernommen.
 
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