Den Wind des Aufbruchs spüren
Das Goggomobil wird 65 Jahre alt – Goggo-Kenner Heribert Füchsl erzählt von den Anfängen
Heribert Füchsl mit seinem „Ohrwaschl-Goggo.“ Es war das 844. Modell, das 1955 bei der Firma Glas in Dingolfing gefertigt
wurde. Am 12. Mai 1955 wurde der Kleinstwagen erstmals für den Straßenverkehr angemeldet. Nun feiert das Auto seinen 65. Geburtstag.

Fotos: A. Schwarzmeier

Landau. (as) Am 19. Januar 1955 lief der Kleinwagen Goggomobil erstmals in Dingolfing vom Band der Hans Glas GmbH. Neben Käfer, Isetta und Ente hat das Goggomobil die Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit geprägt. Insgesamt wurden von 1955 bis 1969 281 728 Goggomobile produziert. 65 Jahre sind seither vergangen. Das „Ohrwaschl-Goggo“ von Rosi und Heribert Füchsl war das 844. Modell aus der ersten Produktionsserie. Am 12. Mai 1955 wurde ihr Kleinstwagen für den Straßenverkehr angemeldet. Vor 65 Jahren wehte der Wind des Aufbruchs durch Deutschland. Nach dem Krieg begannen die Menschen, wieder an die Zukunft zu glauben. 1948 gaben die Amerikaner an Hans Glas sein Familienunternehmen, das bereits 1883 in Pilsting als Landmaschinenfabrik gegründet wurde und auch in Dingolfing produzierte, wieder zurück. Als in den 40er-Jahren die Nachfrage an Landmaschinen zurückging, war Glas gezwungen, sich neu zu orientieren. Er entschloss sich, in den Kraftfahrzeugmarkt einzusteigen. Im Nachkriegsdeutschland war der Bedarf an Motorrollern gestiegen. Unter der Leitung des Juniorchefs Andreas Glas wurde ein Roller entwickelt, der ab Juli 1951 in Serie ging. Dann kam der Tag mit dem großen Regen im Spätsommer 1953: Hans Glas besuchte das Oktoberfest, als ein Gewitterschauer die Wiesenbesucher, die mit Fahrrad oder Motorrad unterwegs waren, klitschnass werden ließ. Die Leute brauchen ein Dach über den Kopf – ist die Idee von Hans Glas. „Einstieg in den Markt musste schnell gehen“ „Es musste schnell gehen, denn Hans Glas wollte mit einem Fahrzeug auf dem Markt vertreten sein“, erzählt Goggoliebhaber Heribert Füchsl. Juniorchef Andreas Glas, Konstrukteur Karl Dompert und Versuchsleiter Hans Zettler seien die drei treibende Kräfte gewesen, die das Goggomobil entwickelten. „Das Goggo war mit einer Fronttür geplant, ähnlich der Isetta“, weiß Heribert Füchsl, der sich mit der Geschichte des Kleinstwagens aus Dingolfing auseinandersetzt. Der „gusseiserne Schorsch“, der Automobil- und Motorradrennfahrer Georg Meier war ein Freund von Andreas Glas. „Die Geschichte sagt, dass Georg Meier gemeinsam mit der Familie Glas Silvester feierte. In Feierlaune gingen sie in die Versuchsabteilung und schnitten mit einer Blechschere eine seitliche Tür in das Goggo. Sie bemerkten: Es funktioniert“, schmunzelt Füchsl. 1955 war es so weit: Die Serienproduktion des Goggos sollte starten. In der Fabrik entstand in den ersten Monaten 1955 das „Füchsl-Goggomobil“. Ein Goggomobil ist kein Massenprodukt, sondern Handarbeit. Die Arbeiten am „Ferrari des kleinen Mannes“ begannen mit dem Schweißen einer Bodenwanne aus Blech. „Diese war eine solide Konstruktion mit Einzelradaufhängung. Dies sorgte für den besonderen Fahrkomfort, da jedes Rad für sich eine eigene Federung besaß“, so Füchsl. Auch der Goggomotor ist eine Eigenkonstruktion. „Der Versuchsmotor lief einwandfrei, doch dann kam es zur Katastrophe. Die ersten Motoren haben nicht gehalten“, so Füchsl. Noch dazu verstarb Motorkonstrukteur Felix Dozekal an einem plötzlichen Schlaganfall. Verzweifelt versuchte man, das Anliegen in den Griff zu bringen. Das Goggo konnte statt am 7. dann am 19. Januar 1955 in Produktion gehen. Auch für das „Füchsl-Goggo“ wurden die Karosserieteile per Hand verschraubt. Die Rollerreifen, die auf das Auto montiert wurden, lieferte die Firma Metzeler. Der Kabelbaum stammt von der Firma Dräxlmaier aus Vilsbiburg. „Dräxlmaier war ursprünglich ein Schuhmacher. Somit ist die Firma Dräxlmaier mit der Automobilindustrie groß geworden“, erklärt Füchsl. Tacho und Lenkrad sowie die Reifen stammten bei den ersten Fahrzeugen noch vom Goggo-Roller. 250 Kubikzentimeter Hubraum, zwei Türen, vorne zwei Sitze, hinten eine Rückbank, eine Innenraumlänge von etwa 1,60 Metern zwischen Pedalen und Rücksitzlehne, ein luftgekühlter Zweizylinder-Zweitaktmotor im Heck, 13,6 Pferdestärken, Höchstgeschwindigkeit 72 Kilometer pro Stunde, circa 415 Kilogramm leicht, mit „Ohrwascheln“, wie die hinteren seitlichen Kühllufteinlässe in der Karosserie genannt werden. Dies sind die Daten der ersten Autoexemplare aus Dingolfing. Mit Sonnenblende und Wackeldackel Die Luxusversion des Goggomobils wurde mit Sonnenblende und Wackeldackel auf der Hutablage ausgeliefert. Wer so ein Fahrzeug kaufen wollte, musste bei der Wahl der Farbe nicht lange überlegen: Die ersten Goggos gab es nur in saharabeige. Zum Fahren reichte ein Motorradführerschein. Am 12. Mai 1955 wurde das Fahrzeug von Rosi und Heribert Füchsl erstmals zugelassen. „Das Auto wurde in Niederbayern gefahren. Die ersten 25 Jahre verlieren sich. Das Goggo wurde 1983/84 in einem alten Stadl bei Geiselhöring wiedergefunden“, sagt Heribert Füchsl. 1989 kam es in seinen Besitz. „Das Auto war original saharabeige, zu diesem Zeitpunkt außen rot lackiert und innen mit einer schwarzen Plüschausstattung ausstaffiert“, so der Landauer. Er hat das Fahrzeug 1989 komplett zerlegt, auseinandergenommen und restauriert. Am Ende bekam das blecherne Schätzchen die Farbe seegrün. Insgesamt zwei Jahre arbeitete Heribert Füchsl an dem Auto. Am 12. Mai 1992 hat er das Goggo wieder zugelassen. „Seither wohnt es bei uns in der Garage. Für uns ist es ein Familienmitglied. Wenn man das Goggo braucht, ist es da. Es hat uns noch nie im Stich gelassen. Bisher sind wir rund 30 000 Kilometer mit ihm gefahren“, ist Füchsl stolz. „Es hat einfach eine positive Ausstrahlung,“ ist Familie Füchsl stolz. Sie haben eines der ersten Goggomobile daheim in der Garage stehen, das heuer 65 Jahre alt wurde.

Das Goggomobil, der „Ferrari des kleinen Mannes“, hat die Wirtschaftswunder-Zeit geprägt.

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